Am Anfang war Twitter. Für den Hashtag #ThrowbackThursday begannen mein Kollege Markus Rottwinkel und ich, regelmäßig Fakten aus der langen und weiterverzweigten Geschichte der Salzgitter AG und ihrer Tochtergesellschaften „auszugraben“. In manchen Fällen fiel das sehr leicht, denn die SZAG als auch die KHS haben mittlerweile sehr ausführliche Daten zur Historie online gestellt. Darunter sind auch viele historische Fotos, die auch und gerade in Zeiten des buntesten und aktuellsten Online-Medienangebots nach wie vor auf viele Leser eine große Faszination ausüben.
In anderen Fällen war die reale Welt Anstoß für eine Recherche, nicht das Internet. Ein Termin in der Gebläsehalle zu Ilsede brachte mich auf die Idee, einen Blick auf die Geschichte der Ilseder Hütte zu werfen, die lokal nach wie vor sehr präsent ist. Einige ihrer Bauten, z.B. der Kugelwasserturm, sind als Denkmäler des industriellen Erbes erhalten worden. Und redet man über die Ilseder Hütte, fällt irgendwann der Name Gerhard Lucas Meyer, der häufiger als „Vater der Ilseder Hütte und Mitbegründer des Peiner Walzwerks“ bezeichnet wird.
Eine schnelle Recherche per Fahrrad ergab: Vor dem heutigen Rathaus von Groß Ilsede steht eine ihm 1913 gewidmete Stele. „Zum dauernden Gedenken und in dankbarer Verehrung“ sei sie errichtet worden, und tatsächlich führen viele Kollegen im Konzern recht häufig seinen Namen im Mund (ohne allerdings bewusst seiner zu gedenken, nehme ich an), einfach weil die Peiner Träger GmbH in der Gerhard-Lucas-Meyer-Straße 10 in Peine ansässig ist.
Gerhard Lucas Meyer wurde 1830 in den heutigen Niederlanden geboren, obgleich seine Familie aus dem Osnabrücker Land stammt. Sein Vater war ein sogenannter „Hollandgänger“, einer der vielen Wanderarbeiter aus dem damals armen ländlichen Raum im Westen Deutschlands, die regelmäßig in den Niederlanden eine Beschäftigung suchten. Meyer junior, selbst bald Vater von sieben Kindern (von denen 4 überlebten), erwies sich als begabter Kaufmann und „Manager“: Nach der Handelsschule stieg der Selfmademan in allerhand verschiedene Unternehmungen ein, darunter eine Weberei, eine Chemiefabrik, eine Bank mitsamt Textilgroßhandel. Später trat er noch als Politiker in Erscheinung und – natürlich – als Montanindustrieller. Als Generaldirektor der Ilseder Hütte ergriff er bei wichtigen Projekten erfolgreich die Initiative: Die Eisenbahnanbindung ersetzte pferdegezogene Transportmittel ab 1872, und im selben Jahr folgte die Gründung des Peiner Stahl- und Walzwerks, um das Roheisen der Hütte vor Ort weiterverarbeiten zu können. Das Ilseder Roheisen war bislang nach Westfalen verkauft worden. Auch die Rohstoffbasis wurde mit dem Erwerb des Erzfeldes Sophienglück erweitert.
Alles in allem hatte Gerhard Lucas Meyer mithin eine glückliche Hand als Unternehmer und stellte die Weichen für eine bis heute erfolgreiche Industrie. Als er mit 86 Jahren starb, wurde er in Celle bestattet. Sein Grab trägt den Spruch „Ich muss wirken, solange es Tag ist“.
Da bleibt uns nur noch zu wünschen: Glückauf!
Günter Bauhoff: Meyer, Gerhard Lucas. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 341 f. (Digitalisat).
Ulrika Evers-Hultsch, Anna Margret Janovicz (1917–2017): Gerhard Lucas Meyer. Ein Leben der Gründerzeit. Vater der Ilseder Hütte und Gründer des Peiner Walzwerkes. (herausgegeben vom Kreismuseum Peine) Voigt, Gifhorn 1990.
Adolf Stöhr: Gerhard Lucas Meyer. Vater der Ilseder Hütte. Sutton Verlag, Erfurt 2008, ISBN 978-3-86680-290-2.