Einmal im Jahr treffen sich Vertreterinnen und Vertreter aus der Stahlindustrie zur international hoch angesehenen „Steel Success Strategies Conference“. Dieses Jahr fand die Konferenz, nach coronabedingt zweijähriger Unterbrechung, in Miami in den USA statt. Neben Diskussionen zu den wichtigsten Herausforderungen und Trends für die globale Stahlindustrie, wird im Rahmen der Konferenz auch der renommierte „Willy Korf Award for Young Excellence“* vergeben. Mit diesem Preis werden junge Wissenschaftler für ihre Forschungen und Arbeiten im Stahlumfeld ausgezeichnet. Preisträger in diesem Jahr war Johannes Markus Höffgen, Fachingenieur bei der Salzgitter Flachstahl GmbH (SZFG) und gleichzeitig Doktorand an der RWTH Aachen. Das Thema seiner Doktorarbeit lautet „Vanadium in Konverterschlacke – Beitrag zur metallurgischen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in einem integrierten Stahlwerk“. Was sich genau dahinter verbirgt, wie Johannes zu seinem Beruf gekommen ist und was er sonst noch so macht, erzählt er uns in dem folgenden Interview.
Johannes, erst einmal vorab: Herzlichen Glückwunsch zu Deiner Auszeichnung!
Danke schön. Es hat mich auch unglaublich stolz gemacht, dass ich den Award bekommen habe.
Wie genau bist Du zu Deinem Beruf gekommen, der jetzt mit dem Award belohnt wurde?
Den Anfang machte nach meinem Abitur ein Studium Werkstoffingenieurwesen B.Sc. und M.Sc. an der RWTH Aachen. Die Abkürzungen stehen dabei für „Bachelor of Science“ und „Master of Science“. Im Anschluss daran habe ich am Institut für Eisenhüttenkunde (am Lehrstuhl für Eisen- und Stahlmetallurgie) bei Prof. Dieter Georg Senk angefangen zu promovieren. Derzeit verfasse ich neben der Arbeit meine Dissertation, was teilweise ziemlich stressig ist (lacht). Meinen jetzigen Arbeitgeber, die Salzgitter Flachstahl GmbH, konnte ich schon während meiner Promotionszeit in Aachen kennenlernen, da die Bereiche Projekt- und Umweltmanagement (TP), Stahlwerk (TS) und Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH (SZMF) meine Projektpartner waren. Meine Industrieversuche habe ich 2019 noch knapp vor dem Beginn der Pandemie im Stahlwerk durchgeführt und konnte so bereits die Kolleginnen und Kollegen kennenlernen und einen Einblick in den Alltag gewinnen.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag für Dich aus?
Mein Alltag startet damit, dass ich die Berichte des Vortages lese und mir einen Überblick verschaffe, was während der Nacht geschehen ist. Vor und nach der Frühbesprechung gehe ich dann durch die Anlagen und bespreche Aufgaben oder suche Lösungen mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Meinen Job sehe ich darin, das Werk im Kleinen und die Salzgitter Flachstahl GmbH im Großen als lebenden Organismus wahrzunehmen, bei dem ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, aus Erz am Ende das Material mit der höchsten Recyclingquote entstehen zu lassen, welches wir tagtäglich nutzen und brauchen. Die Herausforderungen einer so komplexen Maschinerie, die hierfür nötig ist, wechseln dabei täglich. Ebenso ist es mir mit meiner Arbeit möglich, dass zu erleben, was ich die letzten Jahre nur auf dem Papier kennenlernen und studieren durfte. Wie wir uns durch die Anwendung der metallurgischen Wissenschaft ständig verbessern können, ist dabei unglaublich faszinierend für mich.
Wie bist Du zu dem Thema Deiner Promotion gekommen?
Bereits während meiner Bachelorarbeit bin ich mit dem komplexen Thema der Schlacken in Berührung gekommen. Als dann die SZFG und SZMF mit der interessanten Anfrage zum Thema Schlacken und Nachhaltigkeit auf unser Institut in Aachen zugekommen ist, befand ich mich kurz vor meiner Masterarbeit und konnte mich in ihr gleich mit dem interessanten Thema des Einbaus von Nebenelementen in Konverterschlacken auseinandersetzen. Dieses Wissen und die Erkenntnisse dann schlussendlich in Großversuchen auf die Probe stellen zu können, war natürlich ein absoluter Hauptgewinn und ein wirkliches Highlight.
Magst Du uns kurz erklären, was Schlacke mit Stahlherstellung zu tun hat?
Sehr gerne. Bei der Stahlherstellung wird Schlacke im so genannten Konverterverfahren benötigt, um die Stahlschmelze vor Wärmeverlusten zu schützen und gleichzeitig die Elemente abzubinden, die für das fertige Produkt „Stahl“ schädlich sind, also die Qualität des Stahls negativ beeinflussen. Eine der Hauptaufgaben der Konverterschlacke ist beispielsweise das Abbinden des Phosphors, da dieser den Stahl versprödet. Neben Phosphor oxidieren auch andere Elemente der Stahlschmelze, wie beispielsweise Silizium, Eisen, Mangan, Chrom und Vanadium. Durch den Zusatz von Kalk bildet sich mit dem oxidierten Silizium und Eisen der „(Stahl-) Suppe“, eine Schlacke, die als so genanntes „künstliches Gestein“ beschrieben werden kann. Dieses künstliche Gestein hat einen Vorteil: Es kann in der Baustoffindustrie als sekundärer Rohstoff eingesetzt werden und schützt dadurch unsere wertvollen, natürlichen Ressourcen, die auch als Primärressourcen bezeichnet werden. Es ist also unter bestimmten Voraussetzungen ziemlich nachhaltig.
Was hat sich jetzt bei dem Einsatz von Schlacke in der Baustoffindustrie geändert?
Durch eine Neuregelung der Ersatzbaustoffverordnung durch den Bundestag treten neben den bekannten Kriterien für Schlacken als Baustoff neue Parameter in Kraft, die beispielsweise auch das Verhalten dieses künstlichen Gesteins im wässrigen Umfeld betrachten. Das bedeutet konkret, dass aus den Schlacken nur geringste Mengen der in der vorherigen Frage erwähnten Spurenelemente „auswaschen“ dürfen. Wie das Sprichwort schon sagt, „höhlt der stete Tropfen den Stein“ und so können sich potenziell toxische Elemente aus dem künstlichen Gestein lösen. In Voraussicht dieser neuen Gesetzesnovelle hat die SZFG gemeinsam mit der SZMF ein Projekt mit dem Lehrstuhl für Metallurgie und Stahl des Institutes für Eisenhüttenkunde der RWTH in Aachen begonnen, dass dann in meiner Promotion mündete. Der Ansatz der Promotion war nun vor allem das Einbauverhalten des Vanadiums zu erforschen und einen Weg zu finden, wie dieses in der Schlackenmatrix gebunden werden kann. Das Element Vanadium stellt dabei nämlich eine besondere Herausforderung dar: Es ist im Unterschied zu anderen Spurenelementen wie Phosphor nicht nur in einer, sondern durch seine unterschiedlichen Oxidationsstatus in unterschiedlichen Schlackenphasen gebunden.
Wie konntet Ihr hierfür eine Lösung finden?
Für unseren Lösungsansatz wurde die Kreislaufwirtschaft eines integrierten Hüttenwerkes betrachtet. Durch die Zugabe eines anderen Stoffes wurde die Konverterschlacke so verändert, dass das Vanadium bevorzugt in solche Phasen eingebaut wird, die weniger leicht auswaschen. Der zugegebene Einsatzstoff stammt aus dem Hüttenkreislauf und wird somit zu diesem wieder zurückgeführt, ohne dass er aus diesem verschwindet. Die Zugabe erfolgte über eine Injektionsanlage, die direkt an den Konverterprozess anschloss. Das Injektionsrohr wurde in die flüssige Schlacke eingebracht und durch Druckluft der Einsatzstoff zugeführt. Im Zuge der Untersuchungen haben wir dabei unterschiedliche Einsatzstoffe betrachtet und bewertet. Im Stahlwerk der SZFG konnten die einzelnen Laborergebnisse, die im Institut für Eisenhüttenkunde am Lehrstuhl von Prof. Senk erarbeitet wurden, umgesetzt und in einem Industriemaßstab getestet werden. Trotz Coronakrise mit all ihren Auswirkungen in der Hochphase des Projektes, konnten durch Umplanen und Anpassen der Projektstruktur erfolgsversprechende Ergebnisse und Daten aufgenommen werden. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung steht noch aus, jedoch ist das Verfahren zur Patentierung angemeldet. Es hat vor allem den Vorteil, dass es einerseits anfallende Reststoffe des Hüttenprozesses recycelt und andererseits die Schlacke zu einem attraktiven Baustoff macht und dadurch die natürlichen, primären Ressourcen geschont werden können. In der heutigen Zeit ein besonders wichtiger Aspekt wie ich finde. Unterstützt wurde ich bei den Untersuchungen von Kolleginnen und Kollegen bei der SZFG und der SZMF. Hier möchte ich auf jeden Fall an dieser Stelle noch einmal „Danke“ sagen.
Nach diesen interessanten Einblicken was ganz Anderes. Was machst Du privat?
Da ich derzeit noch an meiner Dissertation schreibe, ist Freizeit bei mir leider kein Wort, das oft vorkommt. Auf der Dissertation liegt derzeit mein absoluter Fokus. Ansonsten bin ich sehr froh um die modernen Mittel der Kommunikation, da ich so mit meiner Familie in Österreich kommunizieren kann und natürlich mit den Freunden aus Aachen in Kontakt bleiben kann, die sich mittlerweile auch in der Republik verteilt haben. Wenn ich mal Zeit finde, gehe ich Laufen und spiele gerne Schach, was ich zugegebenermaßen mit mehr Leidenschaft als Können betreibe (schmunzelt).
Johannes, vielen Dank für das wirklich interessante Gespräch!
*Die Willy Korf Stiftung
Zum Gedenken an Willy Korff, der 1990 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Innsbruck, Österreich ums Leben kam, gründeten seine beiden Töchter im gleichen Jahr die Willy Korf Stiftung. Willy Korf gilt als Pionier bei dem Einsatz von energiesparenden Technologien wie zum Beispiel dem „Midrex Direktreduktionsverfahren“. Die Stiftung ehrt jedes Jahr zwei herausragende Leistungsträger aus der Stahlbranche, einmal mit dem „Willy Korf/Ken Iverson Steel Vision Award“ und einmal mit dem in diesem Jahr an Johannes Markus Höffgen verliehenen „Willy Korf Award for Young Excellence“.
19. Februar 2023, 09:56
Herzlichen Glückwunsch von mir;)
Konstantin